Das Zotteltier

Dort steht er, der Büffel.

Mein Büffel.

Genauer gesagt, stehen dort sogar zwei.

Und die Nummer Drei, die zukünftige, etwas moppelige Dame des Hauses, rollt am Horizont entlang.

Eine Armlänge vor mir funkeln sie mich nun an, tief dunkle Augen, gerahmt von mächtigen schwarzen Schädeln und massiven Hörnern. O-ha.

Wollte ich das wirklich? Wie bin ich hierher gekommen? Ich erinnere mich grad nicht. Auge in Auge mit Zottel und Samson.

Zottel scheint sich das Gleiche zu fragen. Sein Blick verrät Unsicherheit, sein Kinn zittert, aufgeregt schnauft er die Kälte heraus. So stehen wir da. Es wäre sinnvoll, jetzt irgendwas zu tun, denke ich.
Laufen könnte gut sein. Hilft ja eigentlich immer.

In Slowmotion drehe ich mich zur Seite, gehe los und spüre die Fragezeichen hinter meinem Rücken. Dann höre ich, wie die Neugierde siegt. Zottel läuft mit, Samson folgt. Vorsichtiger Schulterblick. Ok, relaxte Kopfhaltungen. Ausatmen.

Ein entspanntes Stück später wende ich mich den Riesen wieder zu, strecke ihnen mutig, aber betont sanft meine Hand entgegen. Samsons schwarze, nasse Nase schiebt sich mir genauso sanft entgegen und füllt locker meine Hand aus. Die blaue Zunge folgt. 1000kg freundliche Selbstsicherheit. Ein kurzes, förmliches Hallo an mich Fremde.

Zottel versteckt sich derweil hinter seinem großen Freund und beobachtet mit Sicherheitsabstand das Geschehen. Zu seinem Entsetzen dreht der aber nach der Begrüßung plötzlich ab und trottet
davon.

Dort steht er nun, der Zottel. Allein. Was tun? Zu neugierig zum Gehen, zu schüchtern zum Hallo sagen. Ein ausgewachsener Büffel-Konflikt.

Auch mir ist es alles andere als wohl und ich frage mich, wer hier grad wen spiegelt. So können wir die Situation aber auch nicht lassen und ich beschließe, es einfach nochmal mit der Hand und ein
paar ruhigen Worten zu versuchen.

Das löst zwei Meter vor mir pures Entsetzen aus.

Zittern, Speicheln, Schnauben. Kopf runter, Hörner schütteln. Kopf wieder hoch. Fragezeichen. Vorsichtshalber nochmal Hörner schütteln. Man weiß ja nie. Weiche Knie bei mir. Das volle Programm auf beiden Seiten. So stehe wir da, mit ausgestrecktem Arm und aufgeregtem Gehörn.

Und dann, vollkommen unerwartet, kommt sie, die Zottel-Nase! Mitten in meine Hand.

Drei, zwei, eins…

Atem anhalten

Anstarren

Zittern

Wumm… Springt der Koloss wendig wie eine Gazelle rückwärts.

Beidseitiger Schreckmoment.

Herzklopfen. Springt er wieder vor, ist mein Leben vorbei?

Nö. Steht da.

Für einen Moment den Blick ganz ungewohnt sanft. Dann dreht er ab und trottet zu seiner Familie.

Und ich, ich habe das leise Gefühl, das könnte was richtig Gutes werden.

5 Kommentare
  1. Heike Kulick sagte:

    Ich bin begeistert! Begeistert von dem Geschriebenen und begeistert von Zottel und seiner Familie! So lebendige Texte zu lesen, kann so heilsam sein, wie in ein gütiger und neugieriger Blick aus einem Büffelauge.

    Antworten
  2. Jorka Schweitzer sagte:

    Gelesen – an einen mir sehr lieben Menschen weitergeschickt – gemeinsam am Telefon noch Mal gelesen.
    Danke für diese wunderschöne Gutenachtgeschichte!!!
    Freue mich auf Fortsetzung.
    Herzliche Grüße aus einem Wald im Süden von Berlin
    Jorka

    Antworten

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